Forschungsprojekt: Arbeitszeitdiskrepanzen im Lebensverlauf

Frauen und Männer zwischen Haushaltskontext und betrieblicher Arbeitszeitpolitik (ALHabA)

Projektziel

Das geplante Projekt will empirisch fundierte Hinweise für zukünftige Arbeitszeitpolitiken liefern. Es wird aufgezeigt, welche Personengruppen in welchen Lebensphasen und unter welchen Arbeitsbedingungen ihre Arbeitszeiten verändern möchten. Dabei soll untersucht werden, welche familialen und betrieblichen Faktoren die Arbeitszeitwünsche und deren Realisierung begünstigen oder behindern.

Veröffentlichungen

Schmidt, Tanja, Wenzel Matiaske, Hartmut Seifert, Verena Tobsch und Elke Holst, 2020. Verlaufmuster tatsächlicher und gewünschter Arbeitszeiten im Lebenslauf. Persistenzen und Wandel von Arbeitszeitdiskrepanzen, Working Paper Forschungsförderung 173, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 232 Seiten.

Böckler Impuls, 2020. Arbeitszeitwünsche bleiben häufig unerfüllt, Böckler Impuls, 5, S. 6.

Holst, Elke und Julia Bringmann, 2017. Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten: eine Black Box?. Zu Unschärfen der Ermittlung von Unter- und Überbeschäftigung, DIW Roundup 106, Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung , 7 Seiten.

Rengers, Martina, Julia Bringmann und Elke Holst, 2017. Arbeitszeiten und Arbeitszeitwünsche. Unterschiede zwischen Mikrozensus und SOEP, WISTA Wirtschaft und Statistik , 2017(4), S. 11-43.

Holst, Elke und Julia Bringmann, 2016. Arbeitszeitrealitäten und Arbeitszeitwünsche in Deutschland. Methodische Unterschiede ihrer Erfassung im SOEP und Mikrozensus, SOEPpapers 859, Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung , 28 Seiten.

Seifert, Harmut, Elke Holst, Wenzel Matiaske und Verena Tobsch, 2016. Arbeitszeitwünsche und ihre kurzfristige Realisierung, WSI Mitteilungen, 4, S. 300-308.

Projektbeschreibung

Kontext

Die Ausgestaltung der Arbeitszeit beeinflusst die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und ihrer Familienmitglieder in vielfältiger Weise. Arbeitszeitdiskrepanzen reichen in ihren Wirkungen weit über die Individual- bzw. Haushaltskontext- bzw. Familiensphäre hinaus und können auch Betriebe und deren Effizienz betreffen. Aus ökonomischer Sicht kann man von einem suboptimalen Nutzen in den bestehenden Zeit-Geld-Präferenzen großer Teile der Beschäftigten sprechen. Ein Teil der Beschäftigten, vornehmlich teilzeitbeschäftigte Frauen, möchte länger, ein anderer Teil, vornehmlich vollzeitbeschäftigte Männer, möchte kürzer arbeiten (Holst/Seifert 2012). Die nicht-realisierten Wünsche von Teilzeitbeschäftigten, bieten kurzfristig ein nicht unerhebliches zusätzliches Arbeitskräftepotenzial. Dagegen können überlange Arbeitszeiten wegen erhöhter gesundheitlicher Risiken und dadurch verursachter Erwerbsminderungen das Erwerbspersonenpotenzial reduzieren.

Fragestellung

Im Rahmen des Projektes wurde analysiert, welche Personengruppen in welchen Lebensphasen und unter welchen Arbeitsbedingungen ihre Arbeitszeiten verändern möchten. Dabei wurde aufgezeigt, welche familialen und betrieblichen Faktoren die Arbeitszeitwünsche und deren Realisierung begünstigen oder behindern. Auf der individuellen Ebene stützten wir uns dabei theoretisch auf Überlegungen und Befunde biografisch orientierter Sozial- und Wirtschaftsforschung. Insbesondere interpretieren wir Zeitdiskrepanzen als einen Belastungsfaktor im Sinne des stresstheoretischen effort-reward-imbalance Modells (Siegrist et al. 2004) und klassifizieren dessen Wirkung auf verschiedene Zufriedenheitsdimensionen im Vergleich zu anderen Stressoren. Die Überlegungen zur betrieblichen Arbeitszeitpolitik orientieren sich am organisationstheoretischen ressource dependence approach (Nienhüser 2008).

Untersuchungsmethoden

Die Analysen bezogen eine Vielzahl von Datenquellen ein, um nicht nur Informationen auf Personen-, sondern auch auf betrieblicher Ebene zu gewinnen. Es wurden verschiedene qualitative und quantitative Methoden genutzt. Auf der betrieblichen Ebene wurden mit vertiefenden Fallstudien und Expertengesprächen primäre qualitative Daten generiert. Fallstudien und Expertengespräche wurden theoriegeleitete Inhaltsanalysen analysiert. Quantitativ wurden das SOEP, SOEP-LEE sowie den CRANET-Datensatz genutzt und univariate, deskriptive und graphische Analysen durchgeführt sowie Querschnittanalysen, hier insbesondere klassifikatorische (Cluster-, Korrespondenzanalysen) und regressionsanalytische Verfahren. Im Fall der Längsschnittanalysen wurden neben Standardpanelmodellen und Ereignis- und Wachstumsmodellen insbesondere Sequenzanalysen durchgeführt.

Darstellung der Ergebnisse

Auf Basis des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) wurden Gründe, Lösungen und Folgen von Arbeitszeitdiskrepanzen - der Differenz zwischen gewünschter und vereinbarter bzw. tatsächlicher Arbeitszeit - abhängig Beschäftigter für den Zeitraum von 1993 bis 2014 ermittelt. Analysen der Lebensläufe zeigen, dass sich Arbeitszeitdiskrepanzen in spezifischen Sequenzen häufen. Es lassen sich prägende Variablen wie das Geschlecht, die aktuelle Form der Beschäftigung und Merkmale des Haushalts identifizieren. Es überwiegen Verkürzungs- (bei 46 % der Stichprobe in 2014) gegenüber den insbesondere von Frauen geäußerten Verlängerungswünschen (bei 15 %), wobei letztere im Beobachtungszeitraum zugenommen haben. Verkürzungswünsche, die für die Individuen mit Stress einhergehen, können innerhalb eines Jahres von rund einem Viertel weitgehend umgesetzt werden. Verlängerungswünsche sind von einem Drittel in Jahresfrist realisierbar. Dabei spielen strukturelle Merkmale wie die Betriebsgröße ebenso eine Rolle wie insbesondere auch die Maßnahmenbündel der Arbeitszeitflexibilisierung, die Frauen- und Männerbranchen typisierend unterscheiden wie Fallstudien und multivariate Analysen von Betriebsdaten belegen.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Wenzel Matiaske
Helmut-Schmidt Universität Hamburg Universität der Bundeswehr Hamburg
IPA Institut für Personal und Arbeit

Bearbeitung

Prof. Dr. Stefan Müller
Helmut-Schmidt Universität Hamburg

PD Dr. Elke Holst
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. DIW Berlin
SOEP Sozio-oekonomisches Panel

Dr. Tanja Schmidt
INES Institut für empirische Sozialforschung

Dr. Axel Czaya
Universität der Bundeswehr Hamburg Institut für Personalw. u. Arbeitswissensch.

Dr. Doris Holtmann
Helmut-Schmidt Universität Hamburg Universität der Bundeswehr Hamburg

Dr. Verena Tobsch
INES Institut für empirische Sozialforschung

Kontakt

Christina Schildmann
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung