Forschungsprojekt: Handlungsfähigkeit (wieder) entdecken

Arbeitskämpfe und die lokale politische Kultur in Sachsen

Projektziel

Das Forschungsprojekt untersucht die Bedeutung von betrieblichen Organisierungen und Arbeitskämpfen für die sächsische Demokratie. In qualitativ angelegten Fallstudien werden Faktoren und Motive der Mobilisierung, Wechselwirkungen zwischen betrieblicher Politik und politischer Kultur, sowie demokratisierende Potentiale der Arbeitskämpfe - auch über die Betriebe hinaus - in den Blick genommen.

Projektbeschreibung

Kontext

33 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung sind Arbeitsbedingungen und Löhne in Ostdeutschland noch immer nicht auf dem Westniveau angekommen. Insbesondere Sachsen ist Schlusslicht bei Tarifbindung und Mitbestimmung. Seit einigen Jahren lässt sich hier jedoch eine bemerkenswerte Welle von Arbeitskämpfen beobachten. Das Gelegenheitsfenster für die Mobilisierungen hat sich durch verbesserte Konjunktur und Fachkräftemangel geöffnet. Darüber hinaus zeigt sich jedoch auch ein verändertes Selbstbewusstsein der ostdeutschen Beschäftigten, die sich lange als "Beschäftigte zweiter Klasse" fühlten. Dieses muss auch im Kontext der öffentlichen Aushandlung und Politisierung von ostdeutschen (Transformations-) Erfahrungen gesehen werden. Politisch artikuliert sich das ostdeutsche Unbehagen bisher überwiegend rechts oder in Form eines politischen Nihilismus. Auch das zeigt sich in Sachsen exemplarisch. Verweist die Streikbewegung auf (die Chance auf) eine andere Form ostdeutschen Aufbegehrens?

Fragestellung

Das Forschungsprojekt möchte erstens die Dynamiken der Mobilisierung herausarbeiten. Ziel dabei ist zu rekonstruieren, welche Motive und Selbstentwürfe Konflikthandeln und Beziehungen der Beteiligten prägen, die Mobilisierungen ermöglichen und ihnen ihren spezifischen Charakter verleihen.

Ein zweiter Fokus liegt auf den Wechselwirkungen zwischen betrieblicher Politik und lokaler politischer Kultur, wobei exemplarische Synergien und Widersprüche herausgearbeitet werden sollen. Das betrifft insbesondere die Frage nach Allianzen von gewerkschaftlichen und betrieblichen Akteuren mit der (lokalen) Zivilgesellschaft.

Drittens zielt das Projekt darauf, die demokratisierenden Potentiale der Arbeitskämpfe zu untersuchen. Dabei steht zunächst die Frage nach einem Zugewinn an politischer Handlungsfähigkeit der Beschäftigten im Mittelpunkt. Zudem untersucht die Studie, inwieweit in den Kämpfen demokratische Orientierungen wie Gleichheit oder Solidarität gestärkt werden.

Untersuchungsmethoden

Die Studie arbeitet mit vergleichenden, qualitativen Fallstudien. Dabei wird ein interdisziplinärer, sinnverstehender, sozialräumlich und partizipativ orientierter Ansatz verfolgt. Untersucht werden Arbeitskämpfe in Sachsen, die in der betrieblichen und sozialräumlichen Konstellation, sowie in der Rezeption der Kämpfe in Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft exemplarischen Charakter aufweisen. Darüber hinaus soll die Kooperation mit demokratiepolitisch engagierten GewerkschafterInnen ein produktives Arbeitsbündnis zwischen Wissenschaft und Praxis ermöglichen.

Im Projekt werden verschiedene qualitative Erhebungsmethoden trianguliert: Kern der Erhebung sind Gruppendiskussionen mit betrieblich Aktiven und relevanten lokalen Akteuren. Diese werden, insbesondere bei der Untersuchung laufender Arbeitskämpfe, mit ethnographischem Arbeiten verzahnt und um narrative Einzel-Interviews ergänzt. Die Daten werden sinn-rekonstruktiv und sozialpsychologisch orientiert ausgewertet.

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