Projektbeschreibung
Kontext
Forderungen nach längeren Arbeitszeiten übersehen die großen Unterschiede in Erwerbsarbeitszeiten verschiedener Bevölkerungsgruppen und ignorieren den Wunsch vieler Beschäftigter nach Entschleunigung und einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wissenschaftliche Untersuchungen rund um das Thema Erwerbsarbeitszeiten haben sich bislang vor allem auf Länderunterschiede oder auf Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen konzentriert. Das Forschungsprojekt verbindet beide Perspektiven historisch-vergleichend und untersucht außerdem, wie verlässlich Arbeitszeiten angesichts von Homeoffice, flexiblen Arbeitszeitmodellen und der damit einhergehenden Entgrenzung von Erwerbsarbeit mit etablierten Befragungsmethoden erfasst werden. Damit schafft das Projekt eine fundierte Grundlage zur Versachlichung gesellschaftspolitischer Debatten zu Polarisierung, Flexibilisierung und Prekarisierung von Erwerbsarbeit.
Fragestellung
Das Projekt untersucht zwei Forschungsfragen: Erstens, wie können und sollten Erwerbsarbeitszeiten empirisch akkurat erfasst werden? Zweitens, wie (und warum) haben sich Erwerbsarbeitszeiten zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, Berufen und Branchen im Laufe der Zeit und im internationalen Vergleich verändert? In Teilprojekt 1 werden unterschiedliche Erhebungsmöglichkeiten zur Messung durchschnittlicher Arbeitszeiten miteinander verglichen und deren Verlässlichkeit für unterschiedliche Beschäftigtengruppen überprüft. In Teilprojekt 2 werden Unterschiede zwischen Ländern und im Zeitverlauf identifiziert und die Rolle institutioneller Rahmenbedingungen für die ungleiche Verteilung von Erwerbsarbeit zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, Berufen und Branchen erforscht. Aus den Ergebnissen werden Handlungsempfehlungen abgeleitet, wie Wunsch und Wirklichkeit in Bezug auf die Erwerbarbeitszeiten besser miteinander in Einklang gebracht werden können.
Untersuchungsmethoden
Um die methodische Erfassung von Arbeitszeiten zu validieren und zu verbessern (Teilprojekt 1), sollen Arbeitszeiten, die mithilfe von Zeitverwendungsstudien ermittelt werden („Tagebuchmethode“), mit Arbeitszeiten verglichen werden, die mit standardisierten Fragen zu durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeiten und zu Arbeitszeiten in einem Referenzzeitraum ermittelt werden. Zusätzlich werden mittels Befragungsexperimenten in Primärdatenerhebungen neue Möglichkeiten der Zeiterfassung getestet. Um Entwicklungen von Arbeitszeiten im internationalen Vergleich zu analysieren (Teilprojekt 2), wird das Projekt international vergleichende Erhebungen, wie bspw. die Europäische Arbeitskräfteerhebung (EU-LFS), nutzen und diese mit länderspezifischen Indikatoren zu ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen verknüpfen. So können Unterschiede zwischen Ländern und im Zeitverlauf erklärt und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.